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Einleitende Bemerkungen

Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB,
Lucas Papademos, Vizepräsident der EZB,
Luxemburg, 2. Juli 2009

Sehr geehrte Damen und Herren, der Vizepräsident und ich freuen uns sehr, Sie zu unserer Pressekonferenz hier in Luxemburg begrüßen zu dürfen. Ich möchte mich bei Präsident Mersch für seine Gastfreundschaft bedanken und auch seinen Mitarbeitern unseren besonderen Dank für die hervorragende Organisation der Sitzung des EZB-Rats aussprechen. Wir werden Sie nun über die Ergebnisse der heutigen Sitzung des EZB-Rats informieren, an der auch der Präsident der Eurogruppe, Premierminister Juncker, und Kommissar Almunia teilgenommen haben.

Auf der Grundlage seiner regelmäßigen wirtschaftlichen und monetären Analyse hat der EZB‑Rat beschlossen, die Leitzinsen der EZB unverändert zu belassen. Das aktuelle Leitzinsniveau ist unter Berücksichtigung aller Informationen und Analysen, die seit unserer Sitzung vom 4. Juni 2009 verfügbar geworden sind, nach wie vor angemessen. Der im Juni verzeichnete Rückgang der jährlichen Teuerungsraten in den negativen Bereich entspricht den bisherigen Erwartungen und spiegelt in erster Linie zeitlich begrenzte Effekte wider. Wir gehen davon aus, dass die Preisentwicklung – nach einer Rückkehr der Inflationsraten in den positiven Bereich – über die geldpolitisch relevante Frist gedämpft bleibt. Die jüngsten Datenveröffentlichungen und Umfrageergebnisse liefern weitere Hinweise dafür, dass die Wirtschaftstätigkeit im weiteren Jahresverlauf schwach bleiben dürfte, wenngleich sie weniger stark abnehmen dürfte als im ersten Quartal 2009. In dieser Einschätzung sind verzögerte negative Effekte berücksichtigt, die in den kommenden Monaten zum Tragen kommen dürften, wie zum Beispiel eine weitere Verschlechterung der Arbeitsmarktlage. Mit Blick auf das Jahr 2010 wird nach einer Stabilisierungsphase ab Mitte des Jahres mit einer allmählichen Erholung mit positiven vierteljährlichen Zuwachsraten gerechnet. Die verfügbaren Indikatoren für die mittel- bis längerfristigen Inflationserwartungen sind weiterhin fest auf einem Niveau verankert, das mit dem Ziel des EZB-Rats im Einklang steht, die Preissteigerung mittelfristig unter, aber nahe 2 % zu halten. Die Ergebnisse der monetären Analyse untermauern die Einschätzung eines geringen Inflationsdrucks, da die Geldmengen- und Kreditindikatoren nach wie vor schwach sind. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass die derzeitige Phase extrem niedriger bzw. negativer Inflationsraten von kurzer Dauer ist und die Preisstabilität auf mittlere Frist gewährleistet bleibt, wodurch die Kaufkraft der privaten Haushalte im Euroraum weiterhin gestützt wird.

Gestatten Sie mir nun, unsere Einschätzung näher zu erläutern und dabei mit der wirtschaftlichen Analyse zu beginnen. Die seit unserer letzten Pressekonferenz von Anfang Juni verfügbar gewordenen Daten und Umfrageergebnisse haben unsere bisherigen Erwartungen weitgehend bestätigt. Es ist davon auszugehen, dass die Wirtschaftstätigkeit im weiteren Jahresverlauf schwach bleibt, wenngleich sie weniger stark abnehmen dürfte als im ersten Quartal 2009. Mit Blick auf das Jahr 2010 wird nach einer Stabilisierungsphase ab Mitte des Jahres mit einer allmählichen Erholung mit positiven vierteljährlichen Zuwachsraten gerechnet. Die umfangreichen wirtschaftspolitischen Anreize in allen großen Wirtschaftsräumen dürften das Wachstum weltweit, auch im Euroraum, stützen.

Nach Auffassung des EZB-Rats sind die Risiken für den Wirtschaftsausblick ausgewogen. Einerseits könnten die laufenden umfangreichen gesamtwirtschaftlichen Konjunkturprogramme sowie andere wirtschaftspolitische Maßnahmen stärkere Auswirkungen haben als erwartet. Auch das Vertrauen könnte schneller zunehmen als derzeit angenommen. Andererseits bestehen weiterhin Bedenken im Zusammenhang mit einer stärkeren oder länger andauernden negativen Rückkopplung zwischen der Realwirtschaft und den Finanzmarktturbulenzen, weiteren Preissteigerungen bei Öl und anderen Rohstoffen, sich verstärkenden Protektionismusbestrebungen, einer zunehmend ungünstigen Arbeitsmarktlage sowie ungünstigen Entwicklungen in der Weltwirtschaft aufgrund einer ungeordneten Korrektur globaler Ungleichgewichte.

Was die Preisentwicklung anbelangt, so belief sich die jährliche Teuerungsrate nach dem HVPI der Vorausschätzung von Eurostat zufolge im Juni auf -0,1 %, nachdem sie im Mai 0,0 % betragen hatte. Wie bereits bei früheren Anlässen dargelegt, war der weitere Rückgang der jährlichen Inflationsrate erwartet und spiegelt in erster Linie Basiseffekte wider, die auf die erheblichen Schwankungen der Weltmarktpreise für Rohstoffe in der Vergangenheit zurückzuführen sind.

Mit Blick auf die Zukunft dürften die jährlichen Inflationsraten aufgrund dieser Basiseffekte den Projektionen zufolge in den nächsten Monaten vorübergehend negativ bleiben, bevor sie wieder in den positiven Bereich zurückkehren. Aus geldpolitischer Sicht sind solche kurzfristigen Bewegungen irrelevant. Im Einklang mit verfügbaren Prognosen und Projektionen dürfte die Teuerungsrate künftig im positiven Bereich verweilen, wobei hinsichtlich der Preis- und Kostenentwicklung davon ausgegangen wird, dass diese infolge einer nach wie vor verhaltenen Nachfrage im Euro-Währungsgebiet wie auch in der übrigen Welt gedämpft bleibt. In diesem Zusammenhang bleiben die Indikatoren für die mittel- bis längerfristigen Inflationserwartungen fest auf einem Niveau verankert, das mit dem Ziel des EZB-Rats im Einklang steht, die Preissteigerung mittelfristig unter, aber nahe 2 % zu halten.

Die Risiken in Bezug auf die Inflationsaussichten sind weitgehend ausgewogen. Abwärtsrisiken bestehen insbesondere im Zusammenhang mit den Konjunkturaussichten, während Aufwärtsrisiken unerwartet hohe Rohstoffpreise betreffen. Zudem könnten indirekte Steuern und administrierte Preise aufgrund der in den kommenden Jahren erforderlichen Haushaltskonsolidierung stärker erhöht werden als derzeit angenommen.

Was die monetäre Analyse betrifft, so bestätigen die jüngsten Daten eine anhaltende Abschwächung der monetären Dynamik. Im Mai haben sich die Jahreswachstumsraten der Geldmenge M3 sowie der Buchkredite an den privaten Sektor weiter verringert, und zwar auf 3,7 % bzw. 1,8 %; hierbei handelt es sich um die niedrigsten Werte seit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. Diese parallel zu beobachtende Abnahme stützt die Einschätzung einer schwächeren Grunddynamik des Geldmengenwachstums sowie eines geringen Inflationsdrucks auf mittlere Sicht.

Im Mai waren die ausstehenden Beträge der meisten Komponenten der weit gefassten Geldmenge M3 rückläufig; in dieser Entwicklung kommt großenteils die Verringerung der Zinssätze für kurzfristige Einlagen und marktfähige Finanzinstrumente in jüngster Zeit sowie die hierdurch möglicherweise begünstigte vermehrte Mittelallokation hin zu Finanzinstrumenten außerhalb von M3 zum Ausdruck. Nach einem merklichen Anstieg im April ging das M1‑Wachstum im Mai ebenfalls zurück, blieb aber kräftig. Die kurzfristigen Entwicklungen von M3 schwankten in den letzten Monaten. Lässt man diese Volatilität außer Acht, so hat sich die Dynamik der monetären Expansion seit dem Schlussquartal 2008 deutlich abgeschwächt.

Die Vergabe von Bankkrediten an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften und private Haushalte ist weiterhin verhalten, worin sich teilweise die Konjunktureintrübung und das nach wie vor geringe Unternehmer- und Verbrauchervertrauen widerspiegeln. Bei den ausstehenden Beträgen der Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften war in den letzten Monaten ein moderater monatlicher Rückgang festzustellen. Diese Entwicklung ist hauptsächlich auf eine Abnahme der Vergabe kurzfristiger Kredite zurückzuführen; die Entwicklung der Vergabe von Krediten mit längeren Laufzeiten bleibt hingegen leicht positiv. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die vergangenen Leitzinssenkungen der EZB weiter auf die Kreditzinsen für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sowie private Haushalte durchgewirkt haben. Die hieraus resultierende Verbesserung der Finanzierungsbedingungen dürfte die Wirtschaftstätigkeit auch in der kommenden Zeit stützen. Wie wir bereits in der Vergangenheit betont haben, sollten Banken angesichts der bevorstehenden Herausforderungen die angemessenen Maßnahmen ergreifen, um ihre Eigenkapitalbasis weiter zu stärken, und gegebenenfalls die staatlichen Maßnahmen zur Stützung des Finanzsektors voll ausschöpfen, vor allem was die Rekapitalisierung betrifft.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das aktuelle Leitzinsniveau unter Berücksichtigung aller Informationen und Analysen, die seit unserer Sitzung vom 4. Juni 2009 verfügbar geworden sind, nach wie vor angemessen ist. Der im Juni verzeichnete Rückgang der jährlichen Teuerungsraten in den negativen Bereich entspricht den bisherigen Erwartungen und spiegelt in erster Linie zeitlich begrenzte Effekte wider. Wir gehen davon aus, dass die Preisentwicklung – nach einer Rückkehr der Inflationsraten in den positiven Bereich – über die geldpolitisch relevante Frist gedämpft bleibt. Die jüngsten Datenveröffentlichungen und Umfrageergebnisse liefern weitere Hinweise dafür, dass die Wirtschaftstätigkeit im weiteren Jahresverlauf schwach bleiben dürfte, wenngleich sie weniger stark abnehmen dürfte als im ersten Quartal 2009. In dieser Einschätzung sind verzögerte negative Effekte berücksichtigt, die in den kommenden Monaten zum Tragen kommen dürften, wie zum Beispiel eine weitere Verschlechterung der Arbeitsmarktlage. Mit Blick auf das Jahr 2010 wird nach einer Stabilisierungsphase ab Mitte des Jahres mit einer allmählichen Erholung mit positiven vierteljährlichen Zuwachsraten gerechnet. Die verfügbaren Indikatoren für die mittel- bis längerfristigen Inflationserwartungen sind weiterhin fest auf einem Niveau verankert, das mit dem Ziel des EZB-Rats im Einklang steht, die Preissteigerung mittelfristig unter, aber nahe 2 % zu halten. Die Gegenprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse anhand der Ergebnisse der monetären Analyse untermauert angesichts der nach wie vor schwachen Geldmengen- und Kreditindikatoren die Einschätzung eines geringen Inflationsdrucks. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass die derzeitige Phase extrem niedriger bzw. negativer Inflationsraten von kurzer Dauer ist und die Preisstabilität auf mittlere Frist gewährleistet bleibt, wodurch die Kaufkraft der privaten Haushalte im Euroraum weiterhin gestützt wird.

Da die Transmission der Geldpolitik mit einer zeitlichen Verzögerung erfolgt, sollten unsere geldpolitischen Maßnahmen nach und nach in vollem Umfang auf die Wirtschaft durchschlagen. Mit allen bislang ergriffenen Maßnahmen wird die Geldpolitik also die privaten Haushalte und die Unternehmen fortlaufend stützen. Der EZB-Rat möchte daran erinnern, dass das Eurosystem den Banken des Euroraums kürzlich mit seinem ersten längerfristigen Refinanzierungsgeschäft mit zwölfmonatiger Laufzeit Liquidität in beträchtlichem Umfang bereitgestellt hat. Neben den sonstigen erweiterten Maßnahmen zur Unterstützung der Kreditvergabe dürfte dieses Geschäft zum festen Zinssatz von 1 % die Liquiditätsposition der Banken weiter stärken und die Normalisierung der Geldmärkte sowie die Ausweitung der Kreditvergabe an die Wirtschaft fördern. Sobald sich das gesamtwirtschaftliche Umfeld aufhellt, wird der EZB‑Rat dafür Sorge tragen, dass die ergriffenen Maßnahmen rasch rückgängig gemacht werden und die bereitgestellte Liquidität abgeschöpft wird, um jeglicher Gefahr für die Preisstabilität auf mittlere bis längere Sicht wirksam und rechtzeitig entgegenwirken zu können. Wie bereits mehrfach betont, wird der EZB-Rat weiterhin sicherstellen, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen fest verankert bleiben. Diese Verankerung ist zur Stützung eines nachhaltigen Wachstums und der Beschäftigung unerlässlich und trägt zur Finanzstabilität bei. Dementsprechend werden wir auch in nächster Zeit alle Entwicklungen sehr genau verfolgen.

Was die Finanzpolitik anbelangt, so begrüßt der EZB-Rat die Ergebnisse der Orientierungsdebatte der Finanzminister des Euroraums vom Juni über die Finanzpolitik im Euro-Währungsgebiet. Es gilt, eine Rückkehr zu soliden und nachhaltigen öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, wodurch die makroökonomische Stabilität insgesamt gestärkt wird. Vor diesem Hintergrund sollten die Regierungen des Eurogebiets im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ehrgeizige sowie realistische Ausstiegs- und Konsolidierungsstrategien für die Finanzpolitik erarbeiten und kommunizieren. Nach Auffassung des EZB-Rats sollte mit dem strukturellen Anpassungsprozess in jedem Fall spätestens mit der Konjunkturerholung begonnen werden. 2011 sollten die Konsolidierungsanstrengungen verstärkt werden. Um die voraussichtlich beträchtlichen Haushaltsungleichgewichte der Länder des Euro‑Währungsgebiets zu korrigieren, werden die strukturellen Konsolidierungsbemühungen den im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Richtwert von 0,5 % des BIP pro Jahr deutlich übersteigen müssen. Bei Ländern mit hohen Defiziten und/oder hohen Schuldenquoten sollte die jährliche strukturelle Anpassung mindestens 1 % des BIP betragen.

Im Hinblick auf die Strukturpolitik gilt es, die Bemühungen zur Unterstützung des potenziellen Wachstums im Euroraum zu verstärken. Angesichts der negativen Auswirkungen der Finanzkrise auf Beschäftigung, Investitionen sowie den Kapitalstock ist es von entscheidender Bedeutung, die Umsetzung der erforderlichen strukturellen Reformen zu beschleunigen. Insbesondere bedarf es Gütermarktreformen, um den Wettbewerb zu fördern und die Restrukturierung sowie das Produktivitätswachstum voranzutreiben. Ferner müssen Arbeitsmarktreformen eine angemessene Lohnsetzung sowie eine sektor- und regionenübergreifende Mobilität der Arbeitskräfte erleichtern. Zugleich sollten viele der in den letzten Monaten ergriffenen politischen Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter Wirtschaftssegmente zeitnah auslaufen. Es ist entscheidend, dass der Schwerpunkt nun – im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft und von freiem Wettbewerb – auf die Stärkung der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Wirtschaft des Eurogebiets gelegt wird.

Wir sind nun gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten.

Der Wortlaut, auf den sich der EZB-Rat verständigt hat, ist der englischen Originalfassung zu entnehmen.

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