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Das Feuer kontrollieren

Redebeitrag von Sabine Lautenschläger, Mitglied des Direktoriums der EZB und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB, beim Credit Risk 2017 Forum, Wien, 23. März 2017

Theodore Roosevelt soll gesagt haben: “Risiko ist wie Feuer: kontrolliert nützt es uns, aber unkontrolliert wird es sich erheben und uns zerstören.“ Ich finde, das beschreibt ganz gut die moderne Finanzwelt und ihre Risiken. Finanzielle Risiken zu managen, ist ein wenig wie Feuer zu kontrollieren.

Es ist die Aufgabe der obersten Risikomanager der Banken, der Chief Risk Officers – der CROs –, die Entscheider immer wieder an die „Brandschutzbestimmungen“ zu erinnern.

Und wie wichtig diese Aufgabe ist, hat uns die letzte Bankenkrise deutlich gezeigt. Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, müssen CROs standhaft sein und hin und wieder unbequeme Wahrheiten aussprechen – ebenso wie Bankaufseher übrigens.

Was dabei hilft, ist die Regulierung. Denn auch sie dient dazu, Risiken zu kontrollieren. Nach dem Großfeuer der Finanzkrise haben wir die Regeln für Banken gründlich überarbeitet. Wir haben sie ausgebessert; wir haben sie gestärkt, und wir haben sie ausgebaut.

Das war nötig und richtig. Jetzt ist es aber an der Zeit, die Reformen zu vollenden. Mehr als acht Jahre nach der Krise brauchen Banken regulatorische Sicherheit.

Aber: Die Reformen müssen auf globaler Ebene vollendet werden. Das Finanzsystem ist global und es braucht globale Regeln. Man kann nicht auf seinem eigenen Stück Land frische Luft atmen, während es bei den Nachbarn brennt – früher oder später treibt der Wind Rauch und Funken über die Grenze.

Daher begrüße ich, dass die G20 sich am vergangenen Wochenende ihren Willen bekräftigt haben, die Basel III zu finalisieren.

Dennoch gibt es hier und da Stimmen, die den Umfang der Regulierung grundsätzlich in Frage stellen. Um es ganz klar zu sagen: Es wäre ein Fehler, die Regulierung aufzuweichen. Das würde lediglich den Boden für die nächste Krise bereiten.

Ich kann natürlich nicht leugnen, dass Regeln diejenigen belasten, die sie befolgen müssen – die Banken in diesem Fall. Und hier wird oft argumentiert, dass alles, was die Banken belaste, auch die Wirtschaft belaste.

Banken könnten dem klassischen Bankgeschäft nicht mehr nachgehen, weil die Kapitalanforderungen zu hoch seien. Gleichzeitig seien neue Geschäftsmodelle wegen der regulatorischen Kosten ökonomisch nicht sinnvoll. All das würde letztlich der Wirtschaft schaden.

Zwei Dinge kann ich dazu sagen.

Erstens sehe ich nicht, dass Regulierung Banken daran hindert, klassisches Bankgeschäft zu betreiben und die Wirtschaft zu finanzieren. Kredite an private Haushalte und an kleinere Unternehmen, zum Beispiel, werden sehr wohlwollend behandelt, was die Kapitalunterlegung angeht. Denken Sie an den Unterstützungsfaktor in Artikel 501 der CRR. Der Faktor wurde eingeführt, um die Finanzierung kleinerer und mittlerer Unternehmen zu erleichtern.

Ich sehe auch nicht, dass Regulierung Banken daran hindert, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln – solche zum Beispiel, die aus der Digitalisierung folgen.

Zweitens vernachlässigen die Kritiker die positiven Effekte starker Regeln. Starke Regeln verhindern Krisen, und Krisen schaden der Wirtschaft.

Letztendlich sind es nur gut geführte, gut kapitalisierte Banken, die die Wirtschaft zuverlässig mit Krediten versorgen können – auch in schlechten Zeiten. Sie können die Wirtschaft den gesamten Konjunkturzyklus über finanzieren.

Schlecht kapitalisierte, schlecht geführte Banken dagegen können die Wirtschaft im Abschwung nicht stützen – sie geraten selbst in Schieflage. Starke Regeln helfen also nachhaltig der Wirtschaft.

Und selbst wenn wir nur auf die Banken schauen, sehen wir positive Effekte. Starke Regeln fördern das Vertrauen. In der Krise ist sehr viel Vertrauen zerstört worden, und das ist ein Problem für die Banken.

Denn Vertrauen ist entscheidend im Bankgeschäft. Es schlägt sich nicht nur positiv in den Refinanzierungskosten nieder, es beeinflusst auch, wie attraktiv eine Bank für langfristig denkende Geschäftspartner ist.

Starke Regeln helfen also auch den Banken.

Insgesamt bin ich überzeugt, dass der Nutzen der Regulierung alles in allem größer ist als ihre Kosten. Aber Regulierung ist nicht alles.

Am Ende sind es immer Menschen, die gute oder schlechte Entscheidungen treffen. Und hier spielen die Risikomanager der Banken eine wichtige Rolle: Sie sind eine der ersten Verteidigungslinien gegen zu hohe Risiken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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Europäische Zentralbank

Generaldirektion Kommunikation

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

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