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Dokument 52012AB0096

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 27. November 2012 zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank und zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) (CON/2012/96)

ABl. C 30 vom 1.2.2013, S. 6–11 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

1.2.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 30/6


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 27. November 2012

zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank und zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde)

(CON/2012/96)

2013/C 30/05

Einführung und Rechtsgrundlage

Am 27. September 2012 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute (1) (nachfolgend der „SSM-Verordnungsvorschlag“) ersucht. Am selben Tag wurde die EZB vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit der Verordnung (EU) Nr. …/… des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (2) (nachfolgend der „EBA-Verordnungsvorschlag”) ersucht.

Am 5. November 2012 wurde die Europäische Zentralbank vom Europäischen Parlament gemäß Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags um Stellungnahme zu dem EBA-Verordnungsvorschlag ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme zu dem SSM-Verordnungsvorschlag beruht auf Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags. Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme zu dem EBA-Verordnungsvorschlag beruht auf Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags, da der EBA-Verordnungsvorschlag Bestimmungen enthält, die gemäß Artikel 127 Absatz 5 des Vertrags den Beitrag des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) zur reibungslosen Durchführung der auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen berühren. Der EBA-Verordnungsvorschlag berücksichtigt die der EZB gemäß Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags und gemäß dem SSM-Verordnungsvorschlag übertragenen besonderen Aufgaben.

Da sich beide Texte auf die Übertragung besonderer Aufsichtsaufgaben auf die EZB und die Schaffung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism — SSM) beziehen, hat die EZB trotz der unterschiedlichen Gesetzgebungsverfahren, die für diese Texte gelten, eine gemeinsame Stellungnahme zu den beiden Vorschlägen verabschiedet. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

1.   Allgemeine Anmerkungen

1.1

Der SSM-Verordnungsvorschlag folgt der Aufforderung der Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets am 29. Juni 2012, Vorschläge für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) zu unterbreiten (3). Die EZB begrüßt diese Vorschläge weitgehend, die mit den wesentlichen Ergebnissen des Berichts des Präsidenten des Europäischen Rates vom 26. Juni 2012 (4) und den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 29. Juni und 18. Oktober 2012 in Einklang stehen. Die Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion muss erheblich gestärkt werden, um die negative Verbindung zwischen Banken und öffentlicher Hand in einigen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets aufzuheben und den gegenwärtigen Prozess der Fragmentierung des Finanzmarkts im Euro-Währungsgebiet umzukehren.

1.2

Die Errichtung des SSM sollte durch eine unabhängige integrierte Aufsicht für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Systems, das die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden miteinbezieht, dazu beitragen, das Vertrauen in den Bankensektor und die Interbankenkredite und grenzüberschreitenden Kreditflüsse wiederherzustellen. Der SSM wird auch zur wirksamen Anwendung des einheitlichen Regelwerks für Finanzdienstleistungen und zur Harmonisierung von Aufsichtsverfahren und -praktiken beitragen, indem nationale Verzerrungen beseitigt werden und den Bedürfnissen eines integrierten Währungsgebiets besser entsprochen wird. In diesem Zusammenhang steht die EZB zur Ausübung der neuen Aufgaben hinsichtlich der durch den SSM-Verordnungsvorschlag vorgesehenen Aufsicht der Kreditinstitute bereit. Die EZB ist der Ansicht, dass Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags die angemessene Rechtsgrundlage darstellt, um der EZB auf rasche und wirksame Weise besondere Aufsichtsaufgaben zu übertragen.

1.3

Die EZB unterstützt die Schlussfolgerungen des Zwischenberichts des Präsidenten des Europäischen Rates zur Wirtschafts- und Währungsunion und zu einem integrierten Finanzrahmen (5). Sie stellt in dieser Hinsicht fest, dass der Europäische Rat die rasche Verabschiedung der Bestimmungen zur Harmonisierung der nationalen Abwicklungsrahmen (6) und der Einlagensicherungsrahmen (7) in den Gesetzesvorhaben und Vorschlägen zu Eigenkapitalerfordernissen bis zum Ende des Jahres 2012 (8) fordert, wodurch die Implementierung des SSM unterstützt würde. Darüber hinaus wies der Zwischenbericht darauf hin, dass ein integrierter Finanzrahmen nicht unabhängig von Schritten hin zu einer weiteren Integration der fiskalischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen denkbar ist und betonte auch die Notwendigkeit weiterer Fortschritte hin zu einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus. Die EZB ist der Ansicht, dass ein solcher einheitlicher Abwicklungsmechanismus mit dem Fokus auf eine Europäische Abwicklungsbehörde eine notwendige Ergänzung des SSM darstellt, um eine reibungslos funktionierende Finanzmarktunion zu verwirklichen. Daher sollte ein solcher Mechanismus geschaffen werden oder es sollten zumindest klare Fristen für dessen Schaffung gelten, wenn die EZB ihre Aufsichtsverantwortung in vollem Umfang übernimmt, d. h. am Ende des unten erwähnten Übergangszeitraums.

1.4

Aus Sicht der EZB sollte der SSM-Verordnungsvorschlag mit den folgenden Grundprinzipien in Einklang stehen: Erstens sollte die EZB innerhalb des SSM in der Lage sein, die ihr übertragenen Aufgaben wirksam und gründlich ausüben zu können, ohne Schaden an ihrer Reputation zu nehmen. Zweitens sollte die Unabhängigkeit der EZB bei der Ausübung aller ihrer Aufgaben gewahrt bleiben. Drittens sollte es eine strikte Trennung zwischen den neuen aufsichtlichen Aufgaben der EZB und den ihr durch den Vertrag übertragenen geldpolitischen Aufgaben geben. Viertens sollte die EZB in vollem Umfang auf das Wissen, den Sachverstand und die operativen Mittel der nationalen Aufsichtsbehörden zurückgreifen können. Fünftens sollte die Arbeit des SSM mit den Grundsätzen, die dem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zugrunde liegen, in Einklang stehen und in vollem Umfang das einheitliche Regelwerk für Finanzdienstleistungen befolgen. In dieser Hinsicht begrüßt die EZB auch die Möglichkeit, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten in den SSM miteinzubeziehen, um eine weitergehende Harmonisierung der Aufsichtspraktiken in der Europäischen Union zu gewährleisten und auf diese Weise den Binnenmarkt zu stärken. Sechstens ist die EZB bereit, im Hinblick auf die Aufsichtsaufgaben den höchsten Standards der Rechenschaftspflicht gerecht zu werden.

1.5

Um erstens den SSM in die Lage zu versetzen, eine wirksame Aufsicht ausüben zu können, stattet der SSM-Verordnungsvorschlag die EZB mit besonderen Aufsichtsaufgaben aus, die mit den notwendigen damit einhergehenden Aufsichts- und Untersuchungsbefugnissen und direktem Zugang zu Informationen verbunden sind. Das ist von erheblicher Bedeutung, damit sichergestellt werden kann, dass der SSM seine Aufgaben wirksam erfüllt. Die EZB begrüßt die Einbeziehung sämtlicher Kreditinstitute. Dies ist wichtig, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Banken aufrechtzuerhalten und eine Segmentierung im Bankensystem zu vermeiden. Schließlich ist die vorgeschlagene Übertragung von makroprudenziellen Aufsichtsbefugnissen auf die EZB zu begrüßen, da die EZB in der Lage sein wird, die Ausübung von Maßnahmen auf der Makro- und der Mikroebene zu koordinieren. Wie die EZB ebenfalls feststellt, sieht der SSM-Verordnungsvorschlag vor, dass die EZB im Rahmen der Ausübung ihrer Aufsichtsaufgaben die Zuverlässigkeit und Solidität der Kreditinstitute sowie die Stabilität des Finanzsystems unterstützen sollte (9), womit impliziert wird, dass ihre Zuständigkeiten auch makroprudenzieller Art sind. Die EZB ist der Ansicht, dass der SSM-Verordnungsvorschlag die Aktivierung der durch das Unionsrecht vorgesehenen makroprudenziellen Instrumente auf Initiative der EZB oder der nationalen Behörden ermöglichen sollte. Die nationalen Behörden sollten insbesondere angesichts ihrer Verantwortung für die Finanzstabilität und angesichts ihrer großen Nähe zu und ihres Sachwissens über die nationalen Volkswirtschaften und Finanzsysteme (10) genügend Werkzeuge zur Verfügung haben, um Risiken auf der Makroebene, die sich aus der spezifischen Situation teilnehmender Mitgliedstaaten ergeben, zu begegnen, unbeschadet der Möglichkeit für den SSM, zur Eingrenzung derartiger Risiken auf wirksame Weise ebenfalls tätig zu werden. Angesichts der Wichtigkeit einer funktionalen Trennung zwischen der Aufsicht auf der Makro- und der Mikroebene und der Verantwortung des EZB-Rates für die Finanzstabilität sollten besondere Verfahren innerhalb des SSM-Rahmens für die Einbeziehung des EZB-Rats im Hinblick auf die Beschlüsse der EZB über Maßnahmen auf der Makroebene vorgesehen werden.

1.6

Zweitens muss die EZB die ihr durch den SSM-Verordnungsvorschlag übertragenen Aufgaben unbeschadet der in Artikel 127 des Vertrags festgelegten Ziele des ESZB ausüben (11). Die EZB wird sicherstellen, dass ihre Aktivitäten innerhalb des SSM weder die Ausübung der Aufgaben gemäß dem Vertrag und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (nachfolgend die „ESZB-Satzung”) durch das ESZB berühren, noch ihren institutionellen Rahmen beeinträchtigen. Die EZB genießt gemäß dem Vertrag und der ESZB-Satzung (12) uneingeschränkte Unabhängigkeit (13) bei der Ausübung ihrer Aufgaben einschließlich der ihr gemäß Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags übertragenen Aufgaben. In dieser Hinsicht gilt die sich aus dem Vertrag ergebende Anforderung der Unabhängigkeit der EZB für die Einrichtung der EZB als Ganzes und umschließt daher auch ihre Organe wie etwa das Aufsichtsgremium und dessen Mitglieder bei der Ausübung ihrer Aufgaben gemäß dem SSM-Verordnungsvorschlag. Außerdem umfasst die Unabhängigkeit der EZB ebenfalls gemäß den kürzlich verabschiedeten Grundsätzen für eine wirksame Bankenaufsicht des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (14) (nachfolgend die „Baseler Grundsätze“) die operative Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden.

1.7

Ein weiterer mit den Baseler Grundsätzen verbundener Aspekt zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Aufsicht ist der angemessene rechtliche Schutz der Aufsichtsbehörden bei der Ausübung ihrer Funktion, das Gemeinwohl zu schützen. In dieser Hinsicht stellt die EZB einen Trend in Gesetzgebung und Rechtsprechung mehrerer Mitgliedstaaten und auf weltweiter Ebene fest, der dahin geht, die Haftung der Aufseher zu begrenzen. Die EZB ist der Ansicht, dass die Haftung der EZB, der zuständigen nationalen Behörden und ihrer jeweiligen Mitarbeiter lediglich in Fällen vorsätzlichen Fehlverhaltens oder grober Fahrlässigkeit greifen sollte. Erstens würde diese Begrenzung die einheitlichen Grundsätze in den nationalen Bestimmungen im Bereich der Bankenaufsicht in einer wachsenden Anzahl von Mitgliedstaaten ebenso wie in verschiedenen wichtigen Finanzzentren der Welt widerspiegeln, die dazu neigen, die aufsichtliche Haftung zu begrenzen. Zweitens stünde dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, in der die Haftung lediglich bei qualifizierter Rechtswidrigkeit bejaht wird. Drittens würde eine solche Bestimmung die Union mit dem durch die Baseler Grundsätze erreichten weltweiten Konsens in Einklang bringen, demzufolge die aufsichtlichen Rechtsvorschriften die Aufsichtsbehörde und ihre Mitarbeiter im Falle von Klagen wegen Handlungen bzw. Unterlassungen bei der gutgläubigen Ausübung ihrer Pflichten und vor den Kosten der Abwehr von Ansprüchen aufgrund solcher Handlungen bzw. Unterlassungen schützen müssen, um die Position der Aufsichtsbehörde gegenüber den beaufsichtigten Einheiten zu stärken (15). Viertens beruht ein solcher weltweiter Konsens auf der Komplexität der Aufsichtsaufgaben. Die Aufsichtsbehörden sind verpflichtet, in einem reibungslos funktionierenden Bankensystem und dem Finanzsystem in seiner Gesamtheit die Vielfalt der Interessen zu schützen. Ferner müssen Aufsichtsbehörden insbesondere in Krisenzeiten innerhalb enger zeitlicher Vorgaben operieren. Fünftens würde die Klarstellung der Haftungsregeln innerhalb eines SSM, der in einem Umfeld operiert, das mehreren Rechtsordnungen unterliegt, beitragen, i) zu einem harmonisierten Haftungssystem innerhalb des SSM; ii) die Integrität der Handlungsfähigkeit des SSM zu bewahren, da ein zu striktes und diversifiziertes Haftungssystem innerhalb der komplexen Struktur des SSM die Entschlossenheit einer Aufsichtsbehörde des SSM, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, schwächen könnte; und iii) spekulative gerichtliche Verfahren wegen einer angeblichen Haftung für eine Handlung oder Unterlassung einer Behörde des SSM einzuschränken.

1.8

Drittens ist es von entscheidender Bedeutung, die Geldpolitik und die auf die EZB übertragenen Aufsichtsaufgaben strikt voneinander zu trennen, um bei Einhaltung des institutionellen Rahmens des ESZB potentielle Interessenkonflikte zu vermeiden und die unabhängige Entscheidungsfindung bei der Ausübung dieser Aufgaben zu gewährleisten. Zu diesem Zweck sind angemessene Governance-Strukturen erforderlich, um die Trennung dieser Aufgaben zu gewährleisten, die aber gleichzeitig ermöglichen, dass die Gesamtstruktur von Synergien profitiert. In dieser Hinsicht sollte sichergestellt werden, dass das neue Aufsichtsgremium gemäß dem SSM-Verordnungsvorschlag und innerhalb des durch den Vertrag gesteckten Rahmens den Schwerpunkt der Aufsichtsfunktion der EZB bilden wird. Neben den Leitern der in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zuständigen Aufsichtsbehörden sollten auch Vertreter der nationalen Zentralbanken als Beobachter in dem Aufsichtsgremium mitwirken, die — sofern dies gesetzlich vorgesehen ist — in Ergänzung der zuständigen nationalen Behörden Aufsichtstätigkeiten ausüben. Ferner sollte das Aufsichtsgremium unter Wahrung der letztinstanzlichen gesetzlichen Entscheidungsbefugnisse der Beschlussorgane der EZB in weitestmöglichem Umfang über die notwendigen Werkzeuge und den notwendigen Sachverstand verfügen, um seine Aufgaben wirksam ausüben zu können. In diesem Zusammenhang sollte der Rahmen für die Funktionsweise des Aufsichtsgremiums Gleichbehandlung im Hinblick auf die Beteiligung der Vertreter der zuständigen nationalen Behörden sämtlicher teilnehmender Mitgliedstaaten gewährleisten, einschließlich der Mitgliedstaaten, die eine enge Zusammenarbeit mit der EZB eingegangen sind. Schließlich wird die EZB unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der verschiedenen nationalen Zentralbanken, die bereits Aufsichtsaufgaben ausüben, geeignete interne Regeln und Verfahren errichten, um eine angemessene Trennung innerhalb der diese Aufgaben unterstützenden Funktionen zu gewährleisten.

1.9

Viertens ist es von entscheidender Bedeutung für den SSM, bei der Ausübung der neuen Aufsichtsaufgaben auf den Sachverstand und die Ressourcen der nationalen Aufsichtsbehörden zurückgreifen zu können. Detaillierte qualitative Informationen und konsolidierte Informationen über Kreditinstitute sind ebenso wie verlässliche quantitative Informationen von entscheidender Bedeutung. Der SSM wird durch angemessene Dezentralisierungsverfahren bei gleichzeitiger Wahrung der Einheit des Aufsichtssystems und der Vermeidung von Doppelarbeit von der größeren Nähe der nationalen Aufsichtsbehörden zu den beaufsichtigten Unternehmen profitieren und gleichzeitig die notwendige Kontinuität und Kohärenz der Aufsicht zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten gewährleisten. Der SSM-Verordnungsvorschlag könnte in diesem Zusammenhang die praktischen Bedingungen für die Dezentralisierung von Aufsichtsaufgaben innerhalb des SSM genauer erläutern, namentlich durch die Festlegung bestimmter grundsätzlicher Organisationsprinzipien. Er sollte insbesondere festlegen, dass die EZB bei der Ausübung von Aufsichtsaufgaben besonders hinsichtlich von Kreditinstituten geringerer wirtschaftlicher, finanzieller oder aufsichtsrechtlicher Bedeutung auf zuständige nationale Behörden zurückgreifen sollte, unbeschadet des Rechts der EZB, Leitlinien und Anweisungen zu erteilen oder Aufgaben nationaler Behörden zu übernehmen, sofern angemessen und erforderlich. Darüber hinaus sollte der SSM-Verordnungsvorschlag die Grundlage für einen angemessenen Rahmen zur wirksamen Aufteilung der Aufsichtsaufgaben im Rahmen des SSM bieten, einschließlich der Mitteilungsverfahren für die durch die zuständigen nationalen Behörden verabschiedeten aufsichtsrechtlichen Beschlüsse. Daher sollte die EZB abgesehen von den in den SSM-Verordnungsvorschlag aufzunehmenden besonderen Regeln die Kriterien und Mechanismen für die Dezentralisierung im Rahmen des SSM in Absprache mit den an dem SSM teilnehmenden zuständigen nationalen Behörden in den für die Umsetzung dieses Rahmens erforderlichen detaillierten Regeln festlegen. Diese Regeln sollten insbesondere die Kreditinstitute als Adressaten aufsichtsrechtlicher Maßnahmen in die Lage versetzen, die zuständige Behörde eindeutig als ihren Ansprechpartner identifizieren zu können. Darüber hinaus müssen sowohl die EZB als auch die zuständigen nationalen Behörden unter Wahrung ihrer organisatorischen Unabhängigkeit in der Lage sein, die für die Umsetzung ihrer Aufgaben im Rahmen des SSM benötigten Ressourcen zu bestimmen. Schließlich sollte sichergestellt werden, dass die letztinstanzliche Zuständigkeit der EZB für die Aufsicht im Rahmen des SSM mit Kontrollbefugnissen über das SSM als Ganzes und über die beaufsichtigten Unternehmen sowie mit sehr engen Kooperationsvereinbarungen mit den zuständigen nationalen Behörden einhergeht, einschließlich bestimmter Regelungen für Notfallsituationen und angemessener Informationsflüsse. Daher sollte es effiziente Vereinbarungen über Informationsflüsse im Rahmen des SSM geben, um auch eine etwaige Doppelung von Berichtspflichten der Kreditinstitute zu vermeiden.

1.10

Fünftens müssen die SSM- und EBA-Verordnungsvorschläge sicherstellen, dass der neue Rahmen mit dem Binnenmarkt im Einklang stehen wird. Die folgenden zwei Hauptelemente könnten dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Erstens sollte der SSM-Verordnungsvorschlag den Mitgliedstaaten, die sich an dem SSM beteiligen möchten, ermöglichen, sich in angemessenen engen Kooperationsmechanismen zu verpflichten und gleichberechtigt mit den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets an den Tätigkeiten des Aufsichtsgremiums in vollem Umfang, d. h. mit denselben Rechten und Pflichten, teilzunehmen. Zweitens schafft die Übertragung von Aufgaben bezüglich der Aufsicht über Kreditinstitute in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets auf die EZB einen neuen institutionellen Rahmen, der eine Umgestaltung der Governance der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) erforderlich machen könnte. Der EBA-Verordnungsvorschlag sollte die notwendige Umgestaltung der Governance-Struktur und der Zuständigkeiten der EBA vorsehen, insbesondere durch Sicherstellung der Gleichbehandlung zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden und der EZB bei gleichzeitiger Wahrung der Unabhängigkeit der EZB. Die EZB wird weiterhin in dem Rat der Aufseher der EBA gemäß den in der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (16) festgelegten Bedingungen mitwirken. Darüber hinaus wird die EZB angesichts ihrer neuen zentralen Rolle innerhalb des SSM unbeschadet der bei den zuständigen nationalen Behörden verbleibenden Aufsichtsaufgaben dazu beitragen, sicherzustellen, dass die an dem SSM teilnehmenden zuständigen nationalen Behörden untereinander einheitliche Positionen in den Beschlussorganen der EBA zu Fragen einnehmen, die in den Bereich der Aufsichtsaufgaben der EZB fallen, gegebenenfalls einschließlich der Ausarbeitung besonderer Regeln auf diesem Gebiet. Schließlich könnten angemessene Vereinbarungen ausgearbeitet werden, um eine reibungslose Zusammenarbeit des SSM mit den nicht-teilnehmenden Mitgliedstaaten sicherzustellen.

1.11

Sechstens ist die demokratische Rechenschaftspflicht das unverzichtbare Gegengewicht zur Unabhängigkeit. Die EZB unterliegt bereits Rechenschafts- und Berichtspflichten, die im Hinblick auf die existierenden Aufgaben in vollem Umfang aufrecht erhalten bleiben sollten. Die EZB stellt fest, dass gemäß dem SSM-Verordnungsvorschlag ähnliche Pflichten im Hinblick auf ihre neuen Aufsichtsaufgaben geschaffen werden. Aufbauend auf diesen gesetzlichen Verpflichtungen sollten gesonderte und angemessene Formen der Rechenschaftspflicht ausgearbeitet werden, die auch im Einklang mit den Baseler Grundsätzen stehen. Diese Mechanismen zur Erfüllung der Rechenschaftspflicht sollten die folgenden Überlegungen widerspiegeln: Erstens sollten sie die Unabhängigkeit der EZB unangetastet lassen. Zweitens sollte Rechenschaft auf der Ebene abgelegt werden, auf der Beschlüsse gefasst und umgesetzt werden. Die Mechanismen zur Erfüllung der Rechenschaftspflicht sollten daher in erster Linie auf europäischer Ebene ausgearbeitet werden, unbeschadet der bestehenden Regelungen der nationalen Aufsichtsbehörden zur Erfüllung der Rechenschaftspflicht, die auch für ihre jeweiligen Aufsichtsaufgaben gelten, die nicht dem SSM übertragen sind, und gegebenenfalls unbeschadet eines gelegentlichen Meinungsaustausches zwischen dem Vorsitzenden oder den Mitgliedern des Aufsichtsgremiums mit den nationalen Parlamenten. Drittens sollten solide Mechanismen eingerichtet sein, um die Vertraulichkeit der aufsichtlichen Informationen zu schützen.

2.   Übergangsbestimmungen

Die EZB hebt besonders hervor, wie wichtig es ist, eine Einigung über die obengenannten Vorschläge bis zum Ende des Jahres 2012 zu erreichen, um den vorgesehenen Zeitplan aufrechtzuerhalten, insbesondere das Inkrafttreten des SSM-Verordnungsvorschlags am 1. Januar 2013, die schrittweise operative Umsetzung im Laufe des Jahres 2013 und die vollständige Umsetzung bis zum 1. Januar 2014. Eine verbindliche Abfolge ist von entscheidender Bedeutung, um es der EZB zu ermöglichen, die notwendigen vorbereitenden Vorkehrungen einzuleiten, die organisatorischen Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den zuständigen nationalen Behörden in einem dezentralisierten Rahmens zu schaffen, angemessene Ressourcen bereitzustellen und organisationsintern bereit zu sein, die Aufsichtsaufgaben im Einklang mit einem vereinbarten Ablaufplan für die schrittweise Umstellung zu übernehmen. In diesem Zusammenhang unterstützt die EZB den Vorschlag der Kommission, dass die EZB während des Übergangszeitraums sämtliche relevanten Informationen anfordern darf, um eine umfassende Bewertung der Kreditinstitute der teilnehmenden Mitgliedstaaten vornehmen zu können (einschließlich einer Überprüfung der Qualität der Vermögenswerte). Dies sollte einen reibungslosen Übergang hin zu dem Beginn der operativen Aufsicht durch den SSM unterstützen. Die EZB ist der Ansicht, dass der von der Kommission vorgeschlagene Zeitplan ehrgeizig, aber durchführbar ist.

3.   Umsetzung der Reform

Wie vorstehend erwähnt sollte der SSM-Verordnungsvorschlag die EZB mit den notwendigen Befugnissen ausstatten, um die auf sie übertragenen Aufgaben wirksam ausüben zu können. Die EZB verfügt gemäß Artikel 132 des Vertrags und Artikel 34.1 der Satzung des ESZB und der EZB über Regelungsbefugnisse, die es ihr ermöglichen werden, diese Aufgaben im Einklang mit dem Besitzstand der Union und den künftigen Rechtsvorschriften der Union umzusetzen, insbesondere das einheitliche Regelwerk für Finanzdienstleistungen (einschließlich der Verfahren entsprechend dem Grundsatz „Mittragen oder Begründen“ im Hinblick auf die Leitlinien oder Empfehlungen des EBA). Nach der Verabschiedung des Verordnungsvorschlags und der Umsetzung der Reformen würden jedoch weitere Verbesserungen dazu beitragen, der EZB die Ausübung ihrer Aufsichtsaufgaben zu erleichtern. Erstens sollte der SSM-Verordnungsvorschlag die EZB in die Lage versetzen, Verordnungen verabschieden zu können, um die Regelungen und Verfahren zur Verhängung von Sanktionen durch die zuständigen nationalen Behörden genauer festzulegen. Es sollte auch sichergestellt werden, dass die EZB die Befugnis hat, vorbeugende Maßnahmen zu verabschieden, die den zuständigen Behörden nach nationalem Recht zur Verfügung stehen. Zweitens sollten gegebenenfalls die von dem Bankrecht der Union vorgesehenen hauptsächlichen aufsichtsrechtlichen Instrumente zunehmend durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht unterstützt werden, wie dies etwa bereits bei den Bestimmungen des CRR-Vorschlags der Fall ist. Ein unmittelbar anwendbares einheitliches Regelwerk würde sowohl zur Effizienz des SSM als auch zum Funktionieren des Binnenmarktes beitragen. Drittens steht die EZB im Einklang mit Artikel 25.1 der Satzung des ESZB bereit, zur weiteren Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften beizutragen, indem sie den teilnehmenden Mitgliedstaaten Ratschläge zur nationalen Umsetzung von Richtlinien der Union bezüglich der nach dem Verordnungsvorschlag auf die EZB übertragenen Aufgaben auf die Aufsicht über Kreditinstitute und die Stabilität des Finanzsystems erteilt.

4.   Zukünftige Änderungen des SSM-Verordnungsvorschlags

Der SSM-Verordnungsvorschlag sieht vor, dass bis zum 31. Dezember 2015 ein Bericht über die Anwendung der Verordnung erstattet wird, der potentiell zu Änderungen des Verordnungstextes führen könnte, für die das Verfahren gemäß Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags angewendet werden müsste. Um sicherzustellen, dass der SSM-Verordnungsvorschlag zukünftig in technischer Hinsicht rechtzeitig und auf flexible Weise an neue Umstände angepasst werden kann, empfiehlt die EZB, dass der Europäische Rat in Erwägung zieht, auf Artikel 48 des Vertrags über die Europäischen Union zurückzugreifen. Gemäß diesem Artikel 48 darf der Europäische Rat den Rat ermächtigen, entweder Beschlüsse über zukünftige technische Änderungen der vorgeschlagenen SSM-Verordnung mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen (17), oder gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu erlassen (18). Ein solches vereinfachtes Änderungsverfahren für die SSM-Verordnung würde es erlauben, zukünftige Entwicklungen bei den Vorschriften der Union zur Bankenaufsicht, die den SSM berühren, zu berücksichtigen.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 27. November 2012.

Der Präsident der EZB

Mario DRAGHI


(1)  COM(2012) 511 final.

(2)  COM(2012) 512 final.

(3)  Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets, 29. Juni 2012.

(4)  Towards a genuine economic and monetary union.

(5)  Zwischenbericht des Präsidenten des Europäischen Rates, Towards a genuine economic and monetary union, 12. Oktober 2012.

(6)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG und 82/891/EG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG und 2011/35/EWG sowie der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, COM(2012) 280 final.

(7)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme — KOM(2010) 368 endg.

(8)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats, KOM(2011) 453 endg., sowie Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen („der CRR-Vorschlag“) — KOM(2011) 452 endg.

(9)  Artikel 1 des SSM-Verordnungsvorschlags.

(10)  Siehe die Stellungnahme CON/2012/5 der Europäischen Zentralbank vom 25. Januar 2012 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen sowie zu einem Vorschlag für eine Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (ABl. C 105 vom 11.4.2012, S. 1).

(11)  Siehe Artikel 127 Absatz 1 und Artikel 282 Absatz 2 des Vertrags und Artikel 2 der ESZB-Satzung.

(12)  Siehe Artikel 130 und Artikel 282 Absatz 3 des Vertrags und Artikel 7 der ESZB-Satzung.

(13)  Der Begriff der Zentralbankunabhängigkeit schließt die funktionale, institutionelle, personelle und finanzielle Unabhängigkeit ein (siehe z. B. den Konvergenzbericht 2012 der EZB, S. 23).

(14)  Im September 2012 verabschiedet. Abrufbar auf der Webseite der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich unter http://www.bis.org

(15)  Grundsatz 2, zentrales Kriterium 9 der Baseler Grundsätze.

(16)  Artikel 40 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12).

(17)  Artikel 48 Absatz 7 Unterabsatz 1.

(18)  Artikel 48 Absatz 7 Unterabsatz 2.


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